Eure beiden beruflichen Wege haben viel mit Kreativität zu tun…
Daniel: Ja. Schon in der Schule war Kunst mein absolutes Lieblingsfach. Auch in anderen Fächern habe ich ständig Buchstaben und Zeichen auf Hausaufgabenhefte und Stiftmäppchen gemalt, erst auf meine eigenen, später auf die der halben Klasse. Eigentlich wurde ich von anderen dazu gebracht, das Ganze zum Beruf zu machen: erst den Partykeller beim Kumpel – für eine Kiste Bier und die Farben als Bezahlung. Dann kam das Garagentor vom Kollegen des besten Kumpels und immer so weiter. Als die erste Firma anfragte und eine Rechnung haben wollte, ging ich zur Stadtverwaltung und meldete ein Gewerbe an.
Florian: Ich hatte in der Schule in den gestalterischen Fächern am meisten Spaß: Kunst, Werken, Technisches Zeichnen. In den anderen Fächern habe ich immer auf meinem Block herum gemalt oder auf Zeitschriften die Gesichter »optimiert«. Mir war eigentlich schon immer klar, dass ich etwas Kreatives machen wollte.
Daniel, wie hast Du Dich künstlerisch dann weiterentwickelt?
Daniel: Das kam eigentlich von selbst mit jedem neuen Motiv. Die absoluten Highlights sind sicher meine Graffitis beim 1. FC Kaiserslautern, Caterpillar Oldtimerwerkstätten, Pollenlagen oder auf einigen teuren Autos. Aber auch Kinderzimmer und Workshops machen mir riesigen Spaß. Denn kein Lob ist so ehrlich wie das Lachen und Staunen von Kinderaugen.
Florian, Dein beruflicher Werdegang waren nicht ganz unkompliziert …
Florian: Nach Realschule und Fachabitur in Gestaltung wollte ich gern etwas Handwerkliches und etwas mit Menschen machen. Make-up Artist fand ich total spannend. Aber es war gar nicht so einfach, mich über die Ausbildung zu informieren, ohne die Online-Optionen von heute. Die Berufsberatung beim Arbeitsamt war mir keine Hilfe. Also schrieb ich die Theater in der Umgebung an. Der Chef-Maskenbildner am Nationaltheater Mannheim nahm sich schließlich die Zeit und riet mir, zuerst eine Friseurausbildung zu machen und mir anschließend Make-up anzueignen: entweder über eine private Make-up-Schule oder durch das Assistieren bei anderen Make-up Artists. Das tat ich. Nach der Friseurausbildung arbeitete ich vier Jahre in diesem Beruf und sparte für die Make-up-Schule. Meine Wahl fiel auf eine Schule in Berlin. Nach drei Monaten Make-up-Grundkurs arbeitete ich anfangs drei Tage die Woche als Friseur und versuchte, mir daneben durch unbezahlte Shootings ein Portfolio aufzubauen. So lernte ich immer mehr Leute in der Branche kennen, assistierte anderen Make-up Artists. Diese Kontakte brachten mir nach und nach bezahlte Jobs ein. Nach etwa zwei Jahren in Berlin wurde ich von einer Agentur aufgenommen, kündigte meinen Friseuranstellung und arbeite seitdem selbstständig als Hair und Make-up Artist.
Was ist Dein Erfolgsrezept?
Florian: Jedem, der irgendwie mehr will oder unzufrieden ist, kann ich nur raten, etwas zu ändern und zu versuchen, sein Ziel zu erreichen: Mach Pläne, wie Du glücklicher werden kannst. Erfolg kommt nicht von allein. Man muss etwas dafür tun. Dazu gehört in erster Linie der Wille, sich aus der eigenen Komfortzone herauszubewegen, etwas zu riskieren und etwas Neues zu wagen. Der erste Schritt ist immer der schwierigste. Aber worauf warten? Es klopft keiner an der Tür und sagt »Bitteschön. Hier ist alles, was du gerne hättest«!
Ich habe lange gebraucht, um über meinen Schatten zu springen. Man muss schon gewisse Dinge aufgeben und aus dem sicheren Nest raus. Rückschläge und Misserfolge gehören einfach dazu, daran wächst man. Aber wenn man es nicht versucht, weiß man nie, ob es geklappt hätte. Eigentlich kann man auch nicht tief fallen, denn einen Weg zurück gibt es zur Not immer.
Wie ist es jetzt in Berlin für Dich?
Florian: Hätte mir früher jemand gesagt: ‚Du wirst in Berlin leben‘ – ich hätte ihm den Vogel gezeigt. (lacht) Zu der Zeit damals mochte ich Berlin gar nicht: zu groß, zu laut, zu schmutzig und zu anonym. Doch mir wurde andererseits schnell klar, dass ich in eine Großstadt gehen muss, wenn ich diesen Beruf ausüben möchte. Von meiner Familie und Freunden wegzuziehen ist mir sehr schwergefallen.
Das erste Jahr war hart. Nach der ersten Euphorie kamen Selbstzweifel und Heimweh. Ich fand zwar schnell Anschluss, fühlte mich aber oft allein. Man lernt in Berlin sehr schnell neue Leute kennen. Alle sind sehr offen und kontaktfreudig, doch das beschränkt sich meist nur auf Party-Bekanntschaften. Tiefgründige Freundschaften aufzubauen, auf die man sich auch verlassen kann, ist sehr schwierig. Auch beruflich ging es nicht so voran, wie ich mir das vorgestellt hatte, und es gestaltete sich sehr schwierig, in der Branche Fuß zu fassen. Einmal musste ich mir auch Geld bei meinem Bruder leihen. In dieser Zeit überlegte ich oft, wieder zurück nach Worms zu gehen. Wenigstens ein Jahr wollte ich aber durchziehen. Heute bin ich froh, dass ich das gemacht habe. Denn auf einmal lief es besser, nach und nach habe ich Berlin lieben gelernt. Spätestens, als ich meinen jetzigen Freund Sven kennengelernt habe, fühlte ich mich auch privat angekommen. Er hat mich bei allem sehr unterstützt und mich immer wieder motiviert, weiterzumachen. Heute fühle ich mich in Berlin zuhause, habe tolle Freunde gefunden, liebe meinen Job und schätze die Vorzüge der Großstadt. Der Kontakt zu engen Freunden und der Familie ist immer geblieben, gleichwohl es natürlich schade ist, dass ich beispielsweise die Kinder meines Bruders oder mein Patenkind nicht in dem Maß aufwachsen sehe, wie ich es gerne würde. Ich genieße es jedes Mal, wenn ich in meiner alten Heimat bin und freue mich, wenn mich „die alte Heimat“ in Berlin besuchen kommt.
Wie war das damals für Dich, Daniel, als Dein Bruder wegzog?
Daniel: Ich habe natürlich gehofft, dass er nach seiner Visagisten-Schule wieder zurückkommt. Aber auch mir war klar, dass Berlin für diesen Beruf der perfekte Ort ist: leider – aus meiner damaligen persönlichen Perspektive heraus. Als seine Entscheidung aber dann feststand, dass er nach Berlin zieht, habe ich keinen Gedanken daran verschwendet, ihn davon abzubringen oder es ihm auszureden. Ich habe ihm Mut gemacht, weil ich genau wusste, was ihn gleichzeitig dieser Schritt auch erstmal menschlich kosten würde. Damals, nach der Schule, haben ihn viele dafür belächelt, dass er eine Friseurausbildung gemacht hat. Gerade deswegen macht es mich so stolz, was er sich ganz allein(!) dann in so kurzer Zeit in Berlin aufgebaut hat. Sein Mut und seine Zielstrebigkeit haben sich schlussendlich ausgezahlt. Jetzt bewundern ihn Menschen dafür, auch manche derer, die damals noch skeptisch waren. Für mich war gerade das erste Jahr ohne ihn schon komisch. Beim Bier lief mir da schon mal ein Tränchen über die Wange. Aber Angst, unsere Verbindung zu verlieren hatte ich nie.