KOVALAM BEACH.
BARFUSS ÜBER SAND IN SÜDWESTINDIEN
Text: Karuna kauderer
Foto: patrick stegmaier
Der Spielplatz meiner Kindheit war ein kilometerlanger Sandstrand. Hier, am Arabischen Meer, schien fast immer die Sonne und das Wasser war warm. Milder Wind raschelte stets durch die Palmblätter. Der Kokosnussverkäufer öffnete mit einem sicheren Hieb eine frische Nuss und reichte mir die willkommene Erfrischung. Seine Frau saß in ihrem orange-goldenem Sari daneben und flocht weiße Jasminblüten zu duftenden Ketten, die sie für wenige Rupien als Gabe für die Götter im Tempel oder als Haarschmuck für Frauen verkaufte. Ich habe oft Heimweh nach diesem fernen Ort, an dem ich aufwuchs.
Kovalam Beach liegt im Bundesstaat Kerala an der Südwestküste Südindiens. Der Strand von Kovalam ist schon seit den 60er Jahren bekannt. Der Küstenort entwickelte sich jedoch nicht zum Ziel von Touristenmassen, mit schrillen Resorts, sondern behielt seinen lokalen Charme und die kleinen Familienbetriebe. Zahlreiche Cafés, Boutiquen, Restaurants und kleinere Hotels säumen die Strandpromenade. Dahinter finden sich zwischen Palmen Yoga Shalas und Ayurveda-Kliniken. Während früher vor allem Backpacker in Strandhütten ihr Seelenheil in Mediation und Marihuana suchten, kommen heute Gäste aus der ganzen Welt, um bei Yoga ihre körperliche und geistige Mitte zu finden und ayurvedisch zu regenerieren. Auch viele Familien besuchen Kovalam, um in der geschützten Bucht mit seinem rot-weißem Leuchtturm Strand, Sonne und Meer zu genießen. Kerala ist sehr kinder- und familienfreundlich. Außerdem gehören viele allein reisende Frauen zu den Stammgästen in Kovalam.
Indien ist ein faszinierendes Reiseland. Kerala ist ein guter Einstieg: Der tropische Küstenstaat wird in Punkto Lebensqualität oft mit Süddeutschland verglichen, weil Einkommen, Bildungsniveau und Lebensstandard dort für indische Verhältnisse überdurchschnittlich hoch sind und fast jeder in seinem eigenen »Häusle« wohnt. Die Landessprache Keralas ist Malayalam, eine von mehr als 22 anerkannten Sprachen Indiens. Allerdings kommt man mit Englischkenntnissen überall zurecht. Englisch gehört neben Hindi zu den Amtssprachen. So sind Gespräche mit Mitreisenden im Flugzeug, Zug oder Bus ebenso wie mit den Surfern am Strand, den Marktverkäufern oder den Taxifahrern leicht zu führen. In Keralas Metropole Thiruvananthapuram, nur rund 15 Kilometer entfernt vom Strandort, prägen uralte Traditionen Seite an Seite mit den Errungenschaften der Moderne das Leben. Der IT-Fachmann konsultiert vor wichtigen Entscheidungen seinen Astrologen und ein neues Fahrzeug wird vor der ersten Fahrt im Tempel gesegnet und mit diversen Amuletten dekoriert. Reisfelder, bevölkert von gebückten Erntehelferinnen, liegen neben futuristischen Bürokomplexen der 800.000-Einwohner-Stadt – und selbst der ärmste Straßenkehrer besitzt ein Smartphone. Die Straßen sind voller Menschen, es ist laut, bunt und chaotisch. Und doch wird in all dem Trubel an kleinen Buden in aller Ruhe Tee getrunken und aus Tempeln dringt Musik und der Duft von Räucherstäbchen. In Kovalam geht es sehr viel ruhiger zu. Die »Locals« sind warmherzig, freundlich und entspannt. Sie vermitteln interessierten Besuchern gerne ihre Kultur und Lebensweise. »No problem« und ein Lächeln ist die Antwort auf fast alle Fragen und Wünsche, wie zum Beispiel nach einem schönen Fleckchen zum Abendessen.
Was in Südindien auf den Tisch kommt ist gesund, leicht und bekömmlich – und nicht notwendigerweise scharf. Die Grundlagen sind Kokosnuss und Reis. Den gibt es in allen Aggregatzuständen: von knusprig-dünnen Reispfannkuchen mit Füllung und diversen Soßen (Dosha) über weiche gedämpfte Reisküchlein mit Kokos-Chutney (Idli) oder dem traditionellen »meal« von Reis mit diversen Gemüse und Dips. Als Nachtisch locken süße Reisnudeln in Kokosmilch mit Kardamom und Nüssen (Payasam). Aber auch Liebhaber von frischem Fisch und Meeresfrüchten kommen hier voll auf ihre Kosten und auch die vielen frischen Säfte und Früchte machen süchtig. Gute europäische Küche wiederum findet man vor allem in Restaurants, die in westlich-indischer Partnerschaft geführt werden.
Kovalam ist ein Top-Ausgangspunkt für Ausflüge in die Umgebung. Bei einem Tages-Trip zum Kap Komorin an die Südspitze Indiens kann man in der Stadt Kanyakumari die Sonne gleich über drei verschiedenen Ozeanen auf- oder untergehen sehen. Auf dem Weg dahin sollte man den Königspalast und einen der reich ornamentierten Tempel besichtigen. Um außerdem mal wirklich dort hinzugehen »wo der Pfeffer wächst«, neben Kardamom, Anis, Muskat oder Zimt. Dann fährt man am besten in die Berge nach Ponmudi oder Munnar. Unterwegs geht es vorbei an Kautschukwäldern und Teeplantagen. Auch lohnt sich der Periyar-Nationalpark, eines der letzten Reservate des Königstigers. Wer urbane Kultur bevorzugt, sollte die Biennale in Fort Cochin nicht versäumen. Die Stadt wird dann mit ihren alten Gewürzkontoren, Handelshäusern, Bazaren und Parks zu einer Galerie für indische und internationale Kunst. Außerdem empfehlenswert: eine Hausboottour auf den »Backwaters«. Dieses ausgedehnte Geflecht aus Wasserwegen und Seen erstreckt sich parallel zum Meer über den gesamten Bundesstaat.