ÄTNA.
Text: Jan Zeller
Foto: Daniel Wetzel
Inéz und Demian tanzen auf dem Vulkan. Das Dresdner Duo sorgte in diesem Jahr 2020 über die nationalen Grenzen hinaus für Aufsehen und lässt sich dabei musikalisch in keine Schublade stecken. Art Pop, Indietronica, Electro, Synthie-Pop? Spielt im Grunde keine Rolle – die beiden machen eh ihr eigenes Ding daraus.
Eigentlich gab es einen klaren Plan: Release ihres Debütalbums »Made By Desire« am 14. Februar 2020, dann die erste große eigene Tour, den Festivalsommer mitnehmen und schließlich neue Songs und Projekte austüfteln, um im Folgejahr weiter durchzustarten. Das Album kam planmäßig, die Tour lief erfolgreich an – und dann war es »als würden wir vor einer Welle herschwimmen«, so Demian. Von 21 Konzerten mussten schließlich acht abgesagt werden. In der ersten Jahreshälfte 2021 soll es – neben frischen Konzerten – deshalb auch Nachholtermine geben. Auch ein Vulkan kann einer Pandemie nur bedingt trotzen. Wir hatten das Glück, sie im Kulturzentrum dasHaus in Ludwigshafen Ende Februar noch live zu erleben. Danach ging es für ÄTNA Richtung Schweiz. Von da an war es Woche für Woche ein Reagieren auf das Virus. Gut möglich aber, dass ÄTNA genau das, was Inéz und Demian in ihrem Jazz-Studium (sie: Gesang, er: Schlagzeug) gelernt haben, allen äußeren Widerständen zum Trotz in diesem Jahr gewaltig nach vorne gebracht hat: Improvisieren.
»Wir blieben optimistisch, denn wir haben zeitgleich festgestellt, dass sich unsere Musik trotzdem transportiert«, beschreibt es Demian rückblickend. »Agenten, auch Vertriebspartner haben sehr genau hingeschaut, da ja auch die Menge an Acts und Konzerten auf diversen Bühnen runterging. Zeitgleich war und ist man in der Musikszene aber auch aktiv, es entsteht viel mehr neues Material gerade.« Alles in allem »haben wir sehr viel Glück gehabt«, konstatiert er. Doch es braucht nur ein paar Klicks auf YouTube oder man spitzt im Netflix-Hit »Biohackers« ein wenig die Ohren, um zu realisieren, dass der Erfolg von ÄTNA keinesfalls glücklich ist. Wer sich ihre vier Singles zum aktuellen Album anhört und -sieht, der darf gerne nicht nur beim Ergründen der eklektischen Klangwelten und multiplen Sounds munter Assoziationen und Namen mit in die Runde werfen, sondern auch die ästhetisch-klugen Videos in ihre choreografischen Bestandteile zerlegen. Mit »Grinding« lieferten sie pünktlich zum renommierten Reeperbahn Festival im September 2020 einen Vorgeschmack auf das neue Album, dass 2021 erscheinen soll. Gut die Hälfte der Songs dafür seien soweit fertig, dass »eine Richtung erkennbar ist«, so Inéz. Wer die beiden auf der Bühne erlebt, spürt das Eruptive und Organische hinter ihrer Musik: Delays und Stimmmanipulationen, Loops, Hallschleifen, Sound- und Ton-Snippets; darüber flirrt Inéz´ Stimme, darunter legt Demian seine Percussions. Auf dem neuen Album wird er zusätzlich auch mehr E-Bass spielen. Es werde »fett und episch, aber auch kompakt und beatlastig«. Überbrücken kann man die Wartezeit derweil beispielsweise online mit der Reihe ARTE Concert, für die sie im April im Berliner SchwuZ eine Live-Session eingespielt haben. Im Hamburger Nochtspeicher standen sie im Rahmen ihrer Nominierung für den Anchor Award 2020 auf der Bühne. Auch das gibt´s im Netz – Musikkonzerte im Jahr 2020 haben eben so ihre eigenen Gesetze. Gleichwohl: Warum ÄTNA am Ende des internationalen Festivals von der hochkarätigen Fachjury zum diesjährigen Gewinner gekürt wurden, überträgt sich auch über den Screen oder die Projektor-Leinwand ins heimische Wohnzimmer. Einfach die Lautstärke hochdrehen und loszappeln.